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Lost Place

Die Bezeichnung Lost Place taucht neuerdings immer wieder irgendwo auf. Man versteht darunter ein Bauwerk, das nicht mehr verwendet wird und dabei sich selbst überlassen bleibt. Zunehmend rücken diese Orte in den Fokus abenteuerlustiger Entdecker. Sie werden Urban Explorers genannt. Immer auf der Suche nach einzigartigen Fotos, nach spannenden Geschichten und nach unerschlossenen Attraktionen. Nach dem Nervenkitzel des Verbotenen, nach dem verheißungsvollen Geruch der Gefahr.

Was ein Lost Place ist

Grundsätzlich zählt alles als Lost Place, was an Bauwerken oder anderweitig menschlich erschlossenen Orten nicht mehr verwendet wird. Meist sind Lost Places aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen aufgegebene Orte, bei denen das Geld fehlt, sie wieder herzurichten oder ihnen eine neue Bestimmung zukommen zu lassen.

Meistens sind die Bauwerke aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Oft gibt es kein weiteres öffentliches Interesse an den Orten. Deshalb lohnt sich für die Eigentümer*innen eine touristische Erschließung nicht. Bis zu einer weiteren Verwendung oder der Nutzung des Grundstücks für einen anderen Zweck, bleibt ein Lost Place häufig sich selbst überlassen. Die Natur holt sich das Gemäuer zurück, die Bausubstanz bröckelt langsam vor sich hin.

Der Ehrenkodex der Urban Explorer schreibt fest, dass am besuchten Lost Place nichts verändert werden darf. Auf keinen Fall sehen sich Urban Explorer als Plünderer oder Vandalen.

Morbider Charme und unheimliche Anziehungskraft

Besonders beliebt ist ein Lost Place natürlich dann, wenn seine ursprüngliche Verwendung etwas unheimliches ausstrahlt. So sind zum Beispiel alte Krankenhäuser, Gefängnisse und militärische Anlagen besonders beliebt bei Urban Explorern. Was kann aufregender sein, als durch hohle dunkle Gänge zu schleichen, in denen einst Schreckliches passiert ist?

Doch auch aufgegebene Industrieanlagen können als Lost Place sehr interessant sein. Das größte verlassene Gebäude, in dem ich selbst jemals war, hat mich jedenfalls tief beeindruckt. Es handelt sich dabei um ein altes Heizkraftwerk in Albanien, das mir aufgrund seiner schieren Größe für immer im Gedächtnis bleiben wird.

Ein weiterer Aspekt der ungeheuren Anziehungskraft, die Lost Places auf Urban Explorers haben, liegt in der Halb- oder Illegalität der Entdeckungsreise. Es gibt kaum einen Lost Place, der nicht von Zäunen, Gittern oder Mauern umgeben ist. Meistens ist es strengstens verboten, in das Gelände einzudringen. Manchmal müssen Sicherheitsdienste oder Hunde ausgetrickst werden, manchmal hilft nur der Schutz der Nacht.

Außerdem ist die Entdeckungsreise der Urban Explorers ein höchst individuelles Abenteuer. Ein Erlebnis, das nicht von einem Reiseveranstalter, einem Touristenbüro oder einem Reiseführer vorgegeben wird.

Die pflanzenüberwucherten Mauern oder die Reste einer altmodischen Einrichtung eines Lost Place sind ein beliebtes Fotomotiv. Es gibt zahlreiche Fotografie-Bände, die sich dem Thema widmen und im Internet besteht eine große Fangemeinde.

Wo befinden sich Lost Places?

Die Chance, einen Lost Place zu finden, ist in Ländern, die auf eine wechselhafte Geschichte zurückblicken, besonders groß. Ich würde grob gesagt, folgende günstige Einflussfaktoren aufzählen:

  • Länder, in denen einst die Wirtschaft blühte. Und es heute nicht mehr tut.
  • Länder, in denen in der jüngeren Vergangenheit Krieg gemacht wurde.
  • Länder, in denen Investitionsruinen häufiger vorkommen.
  • Länder, die sich mit Bunkern gegen mögliche Rivalen absicherten.
  • Länder, in denen es sehr viel Platz und Wildnis gibt.

Zum Beispiel bin ich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR häufig auf einen Lost Place gestoßen. Gerade um Berlin herum und sogar mitten in Berlin gibt es zahlreiche interessante Ziele für Urban Explorers. Nach dem Fall der Mauer kam es zu viel Leerstand, der teilweise bis heute noch besteht.

Ein wahres Paradies für Urban Explorers ist das Land Albanien. Zum einen wird ein großer Teil der industriellen Infrastruktur heute nicht mehr genutzt und es fehlt das Geld zur Beseitigung oder zur Wiederaufnahme des Betriebs. Zum anderen hat das Regime von Enver Hoxha Tausende von Bunkern in die Berge und die Landschaft gebaut, von denen die allermeisten heute noch zu finden sind.

Auch das restliche Osteuropa im allgemeinen ist gut geeignet, um einen Lost Place zu finden. Besonders alte Schwerindustrieanlagen locken Urban Explorer mit ihren geheimnisvollen Verheißungen.

Kommerzielle Nutzung von Lost Places

Der Siegeszug des Urban Exploring wurde inzwischen natürlich auch für Reiseanbieter interessant. So gibt es immer mehr Lost Places, die kommerziell genutzt werden. Es geht dann nicht mehr darum, heimlich in ein Bauwerk zu gelangen, sondern darum, schöne Fotos zu machen und das entsprechende Gebäude wie in einem Museum zu besichtigen. Echte Urban Explorers werden sicherlich verächtlich die Nase rümpfen und dich mit einem mitleidigen Blick anschauen.

Einige Lost Places in Deutschland, die inzwischen kommerziell genutzt werden:

  • Spreepark Berlin
  • Abhörstation auf dem Berliner Teufelsberg
  • Heilstätten Beelitz

An manchen der Orte, die kommerziell genutzt werden, kannst du auch geführte Foto-Touren buchen. Ein guter Weg, um etwas über das Fotografieren solcher Orte zu lernen.

Einige Beispiele

Auf meinen Reisen durch fremde Länder und bei meinen Entdeckungstouren durch unsere Heimat bin ich schon auf so manch einen Lost Place gestoßen.

Das Kraftwerk von Fier

In Fier, einer Stadt in Albanien, liegt das aufgegebene Öl-Kraftwerk Fier-TEC. Das Kraftwerk ist mit Abstand der größte Lost Place, in dem ich jemals war. Mehrere Kühltürme und riesige Hallen lassen dir den Atem stocken. Das Hineinkommen ist mit Erlaubnis relativ einfach.

Das Kraftwerk von Fier war früher das größte Heizkraftwerk Albaniens. In der Region wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts Erdöl gefördert. Aufgegeben hat man das Kraftwerk von Fier 2007.

Kraftwerk Fier in Albanien - riesiger Lost Place

Die Bärenquell-Brauerei in Berlin

Eine alte Bier-Brauerei steht mitten in Berlin. Vor einigen Jahren war das Hineinkommen in diesen Lost Place noch vergleichsweise einfach, heute ist es denke ich schwieriger. Die alten Hallen und Dächer der Bärenquell-Brauerei haben eine magische Anziehungskraft. An manchen Stellen liegen sogar noch etikettierte Bierflaschen herum.

Lost Place auf dem Teufelsberg

Auf dem Teufelsberg in Berlin steht eine alte Abhörstation. Von ihren Türmen aus hat man eine beeindruckendeAussicht über die deutsche Hauptstadt. Als Lost Place ist sie vermutlich vor allem so bekannt, weil sie eine sehr auffällige Architektur hat und so exponiert liegt.

Interessant ist der Teufelsberg aber nicht nur wegen der Abhörstation und der Aussicht – die ist übrigens vom benachbarten Drachenberg noch besser. Sondern man kann in den Wäldern des Grunewalds nämlich auch sehr schön wandern gehen.

Auf dem Teufelsberg in Berlin - ein berühmter Lost Place

Das Gefängnis von Spaç

Das alte Gefängnis und Arbeitslager Spaç liegt in den Hügeln von Albanien. Für mich ein sehr interessanter Lost Place, weil er ein Stück Geschichte des Enver-Hoxha-Regimes dokumentiert und trotzdem relativ unerschlossen ist. Bis auf ein paar Informationstafeln ist der Ort sich selbst überlassen. Darüber hinaus liegt Spaç nett und ein bisschen abenteuerlich abgelegen in der Wildnis. Alleine schon die Anfahrt ist ein Erlebnis.

Die Bunkerstadt Wünsdorf

Kein Lost Place in Reinform, aber dennoch Teil meiner Liste: die Bunkerstadt Wünsdorf. Von der riesigen Bunkeranlage bei Zossen aus, nicht weit von Berlin entfernt, wurde die Wehrmacht im zweiten Weltkrieg gesteuert. Die Bunker befinden sich sowohl über als auch unter der Erde. Die russische Besatzungsmacht hat versucht, Teile der Anlage zu zerstören, was aber aufgrund der massiven Bauweise der Bunker nicht oder nur teilweise gelungen ist. Heutzutage kann man im Rahmen einer geführten Tour einige Teile der Anlage hautnah erleben.

Die Bunkerstadt Wünsdorf bei Berlin ist ein besonderer Lost Place

Pointe du Hoc in der Normandie

Ebenfalls eine Bunkeranlage und damit kein Lost Place in Reinform ist die Nazi-Festung Point du Hoc in der Normandie. Sie war Teil von Hitlers Atlantikwall und dokumentiert heute eindrucksvoll, wie der Kampf der Alliierten gegen Nazideutschland in der Normandie im Jahre 1944 ausgesehen hat.

Mehr dazu findest du in meinem Artikel über Pointe du Hoc.

Bester Lost Place aller Zeiten: Das Busludscha-Denkmal

Mit Abstand der aufregendste Lost Place, an dem ich jemals war, ist das Busludscha-Denkmal in den Bergen von Bulgarien. Wie ein UFO aus einer fernen Tiefe des Weltalls ist es auf dem Gipfel das Chadschi Dimitar gelandet. Alles Geheimnisvolle, das ein Lost Place ausstrahlen kann, findet sich in diesem Bauwerk wieder. Das Busludscha-Denkmal ist sozusagen die Königsdisziplin des Urban Exploring. Ich bekomme noch immer eine Gänshaut, wenn ich mir die Bilder anschaue.

Mehr dazu findest du in meinem Artikel zum Busludscha-Denkmal.

Berühmte Lost Places

Über den Erdball verteilt existieren heute viele mehr oder weniger bekannte verlassene und aufgegebene Orte. Einige sind besonders bekannt, weil an ihnen wichtige Ereignisse der Geschichte stattfanden oder weil sie Kulisse von großen Filmproduktionen waren. Im Folgenden zeige ich dir eine kleine Auswahl.

Prypjat

Die Stadt Prypjat in der Ukraine wurde weltberühmt-berüchtigt, als es 1986 zur Reaktorkatastrophe des nahegelegenen Reaktors Tschernobyl kam. Zum Zeitpunkt der Katastrophe lebten knapp 50.000 Menschen in der Stadt. Heute ist sie eine Geisterstadt, in die Touren unternommen werden können. Den Bericht einer Tour zum Lost Place Prypjat kannst du hier finden.

Spreepark Berlin

Der Spreepark in Berlin war einst ein Vergnügungspark. Dann wurde er nach einer aufregenden Geschichte zum Lost Place. Heute gibt es ein neues Konzept zur Nutzung. Und immer noch kann man die alten Fahrgeschäfte und das Geister-Riesenrad sehen.

Insel Hashima in Japan

Eine unheimliche Insel, von der aus bis zu den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts Kohle abgebaut wurde, ist einer der bekanntesten Lost Places der Erde. Auf Hashima lebten auf engstem Raum Tausende von Menschen. Damit wurde die Insel zum Ort mit der welthöchsten Einwohnerdichte. Auch Zwangsarbeiter*innen arbeiteten in den Minen. Nach dem Ende der Kohle-Ära wurde die Insel zur Geisterinsel und damit zum Lost Place. Wenn du mehr erfahren willst, schau doch mal hier nach.

Geisterstadt Kolmanskuppe in der Wüste Namibias

Vielleicht der bekannteste Lost Place von ganz Afrika ist die Geisterstadt Kolmanskuppe in Namibia. Einst wurden hier Diamanten abgebaut. Seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Stadt eine Geisterstadt. Wenn du mehr über sie erfahren willst, kannst du hier einige Informationen finden.

Risiken und Gefahren

Im Wesentlichen setzt du dich zwei Risiken aus, wenn du Urban Exploring betreibst. Erstens läufst du Gefahr, dich ernsthaft zu verletzen oder dich sogar in Lebensgefahr zu begeben. Oft sind die Gebäude nicht gesichert oder sogar einsturzgefährdet. An vielen Stellen sind tiefe Löcher nicht markiert oder liegen im Dunkeln verborgen. Von höheren Mauern besteht das Risiko von Steinschlag oder Ähnlichem. In alten Industrieanlagen kann es außerdem sein, dass du mit gefährlichen Sbstanzen in Berührung kommst.

Zweitens besteht die Gefahr, dass dich jemand vom Sicherheitsdienst einfängt, der den besuchten Lost Place bewacht. Dann drohen Anzeigen.

Literatur zu Lost Places

Mittlerweile gibt es viele Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema Urban Exploring beschäftigen. Ein interessanter Bildband, der Lost Places in Deutschland zum Thema hat, ist Deutschlands vergessene Orte.

Ein Buch, das sich speziell mit dem Fotografieren von Lost Places beschäftigt, ist Shooting Lost Places – Fotografie an verlassenen und mystischen Orten.

Interessante Webseiten zum Thema

Eine Webseite, die mich immer wieder inspiriert hat, ist abandonedberlin.com. Dort werden insbesondere Lost Places in der Gegend von Berlin beschrieben. Dabei erfährst du mehr über die Geschichte der einzelnen Orte und wie du sie besuchen kannst.

Einen knappen Überblick über verlassene Orte in ganz Deutschland findest du bei GEO.

Speziell Orten in Berlin widmet sich ig-fotografie.de in einem Artikel mit einigen Bildern.